Bisher lag die Festsetzung eines Verspätungszuschlags dem Grunde und der Höhe nach im Ermessen der Finanzbehörde. Nach der Neufassung des § 152 AO ist der Verspätungszuschlag in zahlreichen Fällen zwingend festzusetzen. Die Höhe des Verspätungszuschlags ist dabei an die Dauer der verspäteten Abgabe gekoppelt. Gem. § 152 Abs. 2 Nr. 1 und 2 AO ist ein Verspätungszuschlag ermessensunabhängig festzusetzen, wenn eine Steuererklärung, die sich auf einen gesetzlich bestimmten Zeitraum bezieht, nicht innerhalb von 14 bzw. 19 Monaten abgegeben wurde. Wenn das Finanzamt die Frist für die Abgabe der Steuererklärungen verlängert und die verlängerte Frist eingehalten wurde, wird kein Verspätungszuschlag festgesetzt. Wenn die verlängerte Frist nicht eingehalten wurde, kann das Finanzamt gem. § 152 Abs. 1 AO einen ermessensabhängigen Verspätungszuschlag festsetzen.[1]
Für Steuererklärungen, die sich auf ein Kalenderjahr oder auf einen gesetzlich bestimmten Zeitpunkt beziehen, beträgt der Verspätungszuschlag für jeden angefangenen Monat der eingetretenen Verspätung 0,25% der um die festgesetzten Vorauszahlungen und die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge verminderten festgesetzten Steuer, mindestens jedoch 25 Euro für jeden angefangenen Monat der eingetretenen Verspätung. In Nachzahlungsfällen ist dieser Verspätungszuschlag zwingend festzusetzen. Der Verspätungszuschlag kann dabei – anders als nach § 152 AO a.F. – auch mehr als 10% der festgesetzten Steuer betragen.
Auch bei ermessensabhängigen Festsetzungen des Verspätungszuschlages (Steuer = null Euro bzw. in Erstattungsfällen) droht deshalb nach neuer Rechtslage ein Verspätungszuschlag.[2]
Eine Steuererklärungspflicht für Rentner besteht nach § 56 EStDV dann, wenn das Einkommen des Rentners im Veranlagungszeitraum ganz oder teilweise aus Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit, von denen ein Steuerabzug vorgenommen wurde, besteht und neben den Lohneinkünften Renten bezogen wurden, deren Besteuerungsanteil mehr als 410 Euro beträgt oder der Rentner nur andere Einkünfte hat, das heißt keine Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit, von denen ein Steuerabzug vorgenommen wurde und der Gesamtbetrag der Einkünfte den Grundfreibetrag des jeweiligen Veranlagungszeitraumes überschritten hat. Für 2018 beläuft sich der maßgebliche Gesamtbetrag der Einkünfte auf 9.000 Euro, bei Zusammenveranlagung auf 18.000 Euro.
Beispiel:
Annegret und Hans-Georg Müller beziehen bereits seit zehn Jahren Rente. Ihre jeweiligen Renten sind mit einem Ertragsanteil von jeweils 60% steuerpflichtig. Bei Renteneintritt in 2010 betrug die Bruttorente von Annegret 600 Euro und die Rente von Hans-Georg 1.400 Euro. Die Renten haben sich seit 2010 um insgesamt 17,73% auf 706,36 Euro und 1.648,18 Euro erhöht. Während in 2010 noch 2.000 Euro x 12 Monate x 60% = 14.400 Euro steuerpflichtig waren, belaufen sich die steuerpflichtigen Ertragsanteile im Kalenderjahr 2018 bereits auf 18.450,48 Euro (14.400 Euro zuzüglich 4.254,48 Euro ((706,36 Euro ./. 600,00 Euro + 1.648,18 Euro ./. 1.400,00 Euro) x 12) ./. 204 Euro (Werbungskostenpauschale)).
Für die Eheleute Müller ist eine Pflichtveranlagung durchzuführen. Maßgeblich ist die Höhe des Gesamtbetrags der Einkünfte. Der Gesamtbetrag der Einkünfte beläuft sich auf über 18.000 Euro.
Hinweis:
Obwohl die festzusetzende Steuer 0,00 Euro betragen wird, ist grundsätzlich eine Steuererklärung abzugeben. Auch eine eventuelle Befreiung der Steuerpflichtigen von der Abgabe der Steuererklärungen ab einem bestimmten Zeitpunkt stellt weder einen Freistellungsbescheid noch eine verbindliche Zusage dar.[3] Aus diesem Grund kann die Finanzbehörde dem Bürger nicht für die Zukunft die Anwendung einer Gesetzeslage zusagen, wenn diese sich – zu dessen Vorteil, aber auch zu Lasten – ändert.
Verspätungszuschläge drohen insbesondere dann, wenn sich herausstellt, dass eine Steuer festzusetzen ist. Sogar eine geringfügige Steuernachzahlung löst für jeden angefangenen Monat der eingetretenen Verspätung einen Verspätungszuschlag in Höhe von mindestens 25,00 Euro aus. Bei einer nicht entschuldbaren Nichtabgabe einer Erklärung beläuft sich der Verspätungszuschlag damit auf jährlich mindestens 300,00 Euro.
Tipp:
Viele Finanzämter regeln die Abgabeverpflichtung sehr pragmatisch. Liegt der Gesamtbetrag der Einkünfte nur knapp über 9.000 Euro / 18.000 Euro und besteht er im Wesentlichen nur aus Rentenbezügen, wird das Finanzamt auf Antrag von der Abgabe einer Steuererklärung absehen, wenn klar ist, dass das zu versteuernde Einkommen unter dem Grundfreibetrag von ebenfalls 9.000 Euro / 18.000 Euro liegen wird und keine Steuern anfallen werden.
In der Abwehrberatung könnte die Sonderregelung gem. § 152 Abs. 5 S. 3 AO greifen, wonach für Steuerpflichtige, die bis zum Zugang einer – nach Ablauf der allgemeinen Erklärungsfrist versandten – Aufforderung davon ausgehen konnten, nicht zur Abgabe einer Steuererklärung verpflichtet zu sein. In diesen Fällen ist der Verspätungszuschlag erst vom Ablauf der in der Aufforderung bezeichneten Erklärungsfrist zu berechnen.
[1] Vgl. AEAO zu § 152 Nr. 5.1, BStBl-2019-I-0946
[2] Vgl. AEAO zu § 152 Nr. 5.2, BStBl-2019-I-0946
[3] Vgl. FG Düsseldorf, Urteil vom 24.10.2012, 7-K-2010/12-E, BFH-Beschluss vom 09.10.2013, X-B-239/12, BFH/NV-2014-0065