Die Sozialversicherungsentgeltverordnung dient der Vereinfachung des Einzugs der Sozialversicherungsbeiträge. Der weit gefasste Arbeitsentgeltbegriff hat zur Folge, dass bei jeglichen Zuwendungen des Arbeitgebers an seine Arbeitnehmer grundsätzlich von beitragspflichtigem Arbeitsentgelt auszugehen ist.
In der SvEV wird geregelt, dass nicht alle Zuwendungen eines Arbeitgebers an seine Arbeitnehmer beitragspflichtiges Arbeitsentgelt darstellen, da die SvEV Ausnahmen von diesem Grundsatz bestimmt. In § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1-16 SvEV werden die Lohnbestandteile aufgezählt, die dem Arbeitsentgelt nicht zuzurechnen sind. In Anlehnung an das Steuerrecht gehören dazu insbesondere die steuerfreien und pauschal besteuerten Lohnzuschläge.
Bereits für Entgeltabrechnungszeiträume ab 22.04.2015 ist zu beachten, dass mit der Änderung des § 1 Abs. 1 Satz 2 SvEV durch das Fünfte Gesetz zur Änderung des Vierten Buches SGB und anderer Gesetze vom 15.04.2015 eine wesentliche Verschärfung der Voraussetzungen für eine Beitragsfreiheit in der Sozialversicherung vorgenommen wurde.
Durch das 5. SGB-IV Änderungsgesetz hat sich die beitragsrechtliche Behandlung von bestimmten Einnahmen, Zuwendungen und Leistungen geändert. Eine Beitragsfreiheit wird nur dann erreicht, wenn diese Einnahmen vom Arbeitgeber oder von einem Dritten mit der Entgeltabrechnung für den jeweiligen Abrechnungszeitraum lohnsteuerfrei belassen oder pauschal besteuert werden.
Die Steuerfreiheit bzw. die bloße Möglichkeit der Pauschalversteuerung bestimmter Lohnbestandteile reicht für eine Beitragsfreiheit in der Sozialversicherung nicht mehr aus.[1]
Steuerrechtlich zulässige Änderungen, die der Arbeitgeber aufgrund einer bisher unzutreffenden steuer- und beitragsrechtlichen Beurteilung, z. B. Abrechnungsfehler, bis zur Erstellung der Lohnsteuerbescheinigung zum 28.02. des Folgejahres selbst noch vorgenommen hat, können zur Beitragsfreiheit führen und sind bei der Beurteilung der Beitragspflicht zu berücksichtigen. Dies gilt auch, wenn eine Lohnsteueraußenprüfung bis zum 28.02. erfolgte und der Arbeitgeber in diesem Rahmen der Erhebung der Pauschalsteuer für das vorangegangene Kalenderjahr zugestimmt hat. Ab dem 01.01.2017 ist für die Erstellung der Lohnsteuerbescheinigung jeweils der letzte Tag des Monats Februar des Folgejahres maßgebend.[2]Beispiel:
Arbeitgeber A veranstaltete im Dezember 2019 eine Weihnachtsfeier, an der alle Beschäftigten teilnehmen konnten. Zum Zeitpunkt der Lohnabrechnung standen die Kosten pro Arbeitnehmer noch nicht fest. Bei der Erstellung der Lohnabrechnungen ging A davon aus, dass es sich um eine steuer- und sozialversicherungsfreie Zuwendung an jeden einzelnen Arbeitnehmer handelt. Mit Fertigstellung der Buchhaltung stellt sich heraus, dass die Kosten pro Arbeitnehmer 160 Euro betragen.
In Anlehnung an § 41b EStG muss A bis spätestens 29.02.2020 eine Berichtigung der unzutreffenden steuer- und betragsfreien Behandlung der Betriebsveranstaltung vornehmen, um eine Beitragspflicht zu vermeiden. Von den angefallenen Kosten sind gem. § 19 Abs. 1 Nr. 1a EStG 110 Euro pro Arbeitnehmer lohnsteuer- und auch beitragsfrei. Der übersteigende Betrag in Höhe von 50 Euro kann nach § 40 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 EStG pauschal lohnversteuert werden. Die Pauschalversteuerung würde dann zur Sozialversicherungsfreiheit führen.
Tipp:
Überprüfen Sie bis spätestens 29.02.2020, ob pauschal zu versteuernde Lohnbestandteile nachzuversteuern sind. Die nachträgliche Änderung der Besteuerung nach dem 29.02. des Folgejahres führt im Zusammenhang mit § 1 Abs. 1 Satz 2 SvEV nicht zu einer geänderten Beurteilung der Beitragspflicht.
Sofern eine Änderung wegen Ablauf des letzten Tages des Monats Februar des Folgejahres nicht mehr möglich ist und die Deutsche Rentenversicherung Beiträge unter Berücksichtigung von Säumniszuschlägen nacherhebt, bleibt dem Arbeitgeber nur noch anzuraten, sich auf die aktuelle Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes zu berufen. Das Bundessozialgericht hat einen eigenen sozialrechtlichen Verschuldensmaßstab zugrunde gelegt. Das Bundessozialgericht hat klargestellt, dass der Verschuldensmaßstab des § 24 Abs. 2 SGB IV ein eigener sozialrechtlicher Verschuldensmaßstab ist und nicht der des § 276 BGB. Das Bundessozialgericht hat damit den Spitzenorganisationen der Sozialversicherung widersprochen.[3] Nach neuester Rechtsprechung setzt ein Verschulden nach § 24 Abs. 2 SGB IV wenigstens bedingten Vorsatz für die Beitragspflicht voraus. Einfache Fahrlässigkeit und selbst grobe Fahrlässigkeit genügen nicht. Danach müssten zumindest die Säumniszuschläge in Höhe von 1% für jeden angefangenen Monat der Säumnis der noch nicht gezahlten Beiträge erlassen werden.
[1] Vgl. Besprechung des GKV-Spitzenverbandes, der Deutschen Rentenversicherung Bund und der Bundesagentur für Arbeit über Fragen des gemeinsamen Beitragseinzugs am 20.04.2016, Punkt 5 Beitragsrechtliche Behandlung steuerfreier bzw. pauschal besteuerter Entgeltbestandteile; Änderung des § 1 Abs. 1 Satz 2 SvEV
[2] Vgl. § 93c Abs. 1 Nr. 1 AO
[3] Vgl. BSG, Urteil vom 12.12.2018, Az. B 12 R 15/18 R, DStR-2019-1165