Vorzeitige Anforderung von Steuererklärungen

Die vorzeitige Anforderung einer Steuererklärung ist ein Verwaltungsakt im Sinne des § 118 AO. Die Anforderung ordnet ein besonderes Verhalten des Steuerpflichtigen an. Der Steuerpflichtige wird aufgefordert, seine Steuererklärung vor Ablauf der „normalen“ Frist abzugeben.

Nach den gleich lautenden Erlassen der obersten Finanzbehörden der Länder über Steuererklärungsfristen verlängert sich die gesetzliche Frist zur Abgabe der Einkommensteuererklärung (31.05.) bis zum Ende des auf den Besteuerungszeitraum folgenden Kalenderjahres, wenn die Steuererklärung durch eine Person i.S. der § 3 und § 4 des Steuerberatungsgesetzes (z.B. einen Steuerberater) angefertigt wird. 

Mit der Aufforderung, die Steuererklärung vorzeitig abzugeben, greift die Finanzbehörde in die Rechte des Steuerpflichtigen ein. Dies bedarf gemäß § 121 AO einer besonderen Begründung. Da die Rechtsbehelfsbelehrung in der Regel fehlt, greift die einjährige Rechtsbehelfsfrist gemäß § 356 AO.

Nach Auffassung des BFH ist eine Heilung (fehlende Begründung) nach § 126 Abs. 1 Nr. 2 i.V. mit Abs. 2 AO nicht mehr möglich, wenn sich der Verwaltungsakt vor der Einlegung des Einspruchs durch Zeitablauf oder in sonstiger Weise gemäß § 124 Abs. 2 AO erledigt hat. 

Beispiel:

Die Eheleute Punktgenau werden mit Schreiben vom 17.05.2017 aufgefordert, ihre Einkommensteuererklärung 2016 bis spätestens 06.09.2017 beim Finanzamt einzureichen. Eine Begründung sowie Rechtsbehelfsbelehrung enthält das Schreiben nicht. Die von Ihrem Steuerberater angefertigte Steuererklärung wurde am 31.12.2017 authentizifiert an das Finanzamt übermittelt. Der Steuerbescheid wird am 29.03.2018 bekanntgegeben. Das Finanzamt hat einen Verspätungszuschlag in Höhe von 800 Euro festgesetzt. Aufgrund der fehlenden Rechtsbehelfsbelehrung endet die Rechtsbehelfsfrist für die Einlegung eines Einspruches gegen die vorzeitige Anforderung am 22.05.2018.

Bei der Aufforderung des Finanzamtes zur termingebundenen Abgabe der Steuererklärung handelt es sich um eine Ermessensentscheidung. Die Ermessensentscheidung muss gemäß § 121 Abs. 1 AO ausreichend begründet werden. Dabei müssen die bei der Ausübung des Verwaltungsermessens angestellten Erwägungen aus der Entscheidung erkennbar sein, andernfalls ist sie rechtswidrig.   Eine formelhafte Begründung, das Finanzamt handle „im Interesse einer ordnungsgemäßen Durchführung des Besteuerungsverfahrens“ genügt nicht.

Nach Aussage des BFH kann der Begründungsmangel nicht mehr geheilt werden. In der Folge ist auch der Bescheid über die Festsetzung des Verspätungszuschlags in Höhe von 800 Euro wegen verspäteter Abgabe der Einkommensteuererklärung rechtswidrig und aufzuheben.

Gemäß § 152 Abs. 1 AO kann das Finanzamt gegen denjenigen, der seiner Verpflichtung zur Abgabe einer Steuererklärung nicht fristgerecht nachkommt, einen Verspätungszuschlag festsetzen. Von der Festsetzung eines Verspätungszuschlags ist abzusehen, wenn das Versäumnis entschuldbar ist. Ob diese tatbestandlichen Voraussetzungen für die Festsetzung eines Verspätungszuschlags erfüllt sind, ist eine von den Gerichten voll überprüfbare Rechtsentscheidung.  Danach ist die Festsetzung des Verspätungszuschlags in Höhe von 800 Euro rechtswidrig, da die Voraussetzungen hierfür im Grunde nicht vorlagen. Die Eheleute Punktgenau haben die Steuererklärung am 31.12.2017, also noch innerhalb der nach den gleich lautenden Erlassen der obersten Finanzbehörden der Länder maßgeblichen Frist für beratene Steuerpflichtige abgegeben.

Tipp:

Legen Sie innerhalb der einjährigen Rechtsbehelfsfrist gegen die vorzeitige Anforderung von Steuererklärungen Einspruch ein. Warten Sie mit Ihrem Einspruch ggfls. bis zum Ende der Rechtsbehelfsfrist. Reichen Sie die Erklärung vor bzw. zusammen mit Ihrem Einspruch beim Finanzamt ein, damit das Finanzamt keine Gelegenheit hat, die Begründung rechtzeitig nachzureichen. Legen Sie außerdem Einspruch gegen den festgesetzten Verspätungszuschlag im Einkommensteuerbescheid ein. Als Einspruchsbegründung verweisen Sie auf die rechtzeitige Abgabe der Steuererklärung.

Auch eine Abgabe der Steuererklärung im Januar bzw. Februar 2018 rechtfertigt einen Einspruch gegen den Verspätungszuschlag, da es sich allenfalls um eine geringfügige Überschreitung der Abgabefrist handelt. Mit dem Wissen der lediglich geringfügigen Fristüberschreitung müsste das Finanzamt sein Ermessen erneut begründen und den Verspätungszuschlag zumindest entsprechend herabsetzen.

Hinweis:

Das Beispiel betrifft die Rechtslage bis 31.12.2017. Im Zuge des Gesetzes zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens verlängern sich ab VZ 2018 die Fristen zur Abgabe der Einkommensteuererklärung für unberatene Steuerpflichtige bis zum 31.07. des Folgejahres und für beratene Steuerpflichtige bis zum 28./29.02. des zweiten auf den Besteuerungszeitraum folgenden Kalenderjahres.

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